Appell des Fremdenverkehrsvereins

Appell des Fremdenverkehrsvereins und Begründung

Die gewerbliche Wirtschaft Westerlands hat unter der Federführung des Fremdenverkehrsvereins Westerland e. V. an die Stadtverwaltung und die Stadtvertretung einen dringenden Appell gerichtet, die steuerliche Belastung der hiesigen Wirtschaft durch Gemeindesteuern wieder zu mindern, insbesondere auf die für das vergangene Rechnungsjahr abgeschlossene Erhöhung der Hebesätze für das Rechnungs-Jahr 1952 zu verzichten. Ferner wurde angeregt, die Stadtverwaltung zu bitten, eine Ermäßigung oder gar Aufhebung der Getränkesteuer zu erwägen. In der Begründung wurden folgende Gedankengänge hervorgehoben:

1. Es erscheint unverständlich, daß Westerland höhere Hebesätze fordern muß als andere Gemeinden, selbst solcher Gemeinden, die nicht saisonabhängig sind und deren wirtschaftliche Grundlage durch Krieg und Nachkrieg weniger gestört worden ist als Westerland.

2. Normalerweise kann man den in freier Wirtschaft errichteten Gebäudebestand eines Ortes als einen maßgebenden Ausdruck seiner Wirtschafts- und Steuerkraft ansehen und entsprechend zu den gemeindlichen Verwaltungs- und Fürsorgelasten heranziehen.

Gebäude unserer maßgebenden Wirtschaft, nämlich Hotels, Gaststätten und Logierhäuser, sind seit 1914 hier nicht mehr in freier Wirtschaft errichtet worden, weil diesem Erwerbszweig die wirtschaftliche Grundlage.mehr und mehr entzogen worden ist. Die bis 1914 errichteten Gebäude entsprechen nicht mehr den heutigen Zeitansprüchen. Diese Tendenz fortschreitender Gebäudeentwertung dauert heute noch an und wurde durch Kriegs- und Nachkriegsfolgen außerordentlich verstärkt. Man kann daher die Grundsteuerkraft Westerlands heute nicht mehr mit der Grundsteuerkraft anderer Orte an Hand der Summen der Einheitswerte vergleichen. Und es muß als wirtschaftlicher Widersinn erscheinen, wollte man von Westerland gleiche oder gar höhere Hebesätze fordern, als sie Gemeinden mit anderer Wirtschaftsstruktur erheben.

3. Die durch Vorkriegsrüstung, Kriegs- und Nachkriegszeit sich ergebende Vermehrung der Bevölkerungszahl war durch außerwirtschaftliche Faktoren bedingt. Im Verhältnis zu den gegebenen wirtschaftlichen Grundlagen und Möglichkeiten war diese Bevölkerungsvermehrung um ein Vielfaches stärker als in anderen Gemeinden des Landes. Die sich daraus ergebenden zusätzlichen Lasten einer Gemeinde muß in vollem Umfange die Allgemeinheit übernehmen. Man kann sie niemals der schuldlos betroffenen Gemeinde allein überlassen, indem etwa die Landesregierung von dieser Gemeinde absolut und im Verhältnis zur Wirtschaftsgrundlage h ö h e r e Hebesätze und mehr Steuern fordert als von anderen Gemeinden.

4. Es ist irrig, aus den Steuereingängen zu folgern, die Wirtschaft habe diese Steuern "aufgebracht". Nicht die "Zahlung" ist das Entscheidende. Entscheidend ist, ob der Betrieb die Steuer im Rahmen seiner Gesamtleistung t r a g e n kann. Jede gezahlte Steuermark, die der Betrieb nicht zu tragen vermag, erhöht die betrieblichen Dauerschulden - belastet also damit die Zukunft - oder aber sie verhindert den Wiederaufbau des geschädigten Betriebes.

5. Die fortschreitende Entwicklung des Beherbergungs-Kleingewerbes, das nicht gewerbesteuerpflichtig ist, wurde weitgehend durch Einsatz öffentlicher Mittel ermöglicht und gefördert. Die Vermehrung solcher Betriebe führt zu steigender Entwertung des gewerbesteuerpflichtigen Gewerbes und zu einer Verminderung der Steuerkraft dieses Gewerbes, ohne da8 aber der Gemeinde die steuerliche Erfassung des Beherbergungs-Kleingewerbes möglich wäre. So kann es dem in freier Wirtschaft errichteten Beherbergungsgewerbe nicht zugemutet werden, 5teuererhöhungen auf sich zu nehmen, die z. T. dadurch bedingt sind, daß seine Leistungskraft durch Einsatz öffentlicher Mittel geschwächt wird.

6. Grundlage der Gewerbesteuerberechnung ist das veranlagte Einkommen. Durch den Fortfall der Bewertungsfreiheit für Ersatzbeschaffung beweglicher Güter des Anlagevermögens wird das durch Kriegs- und Nachkriegsschäden arg betroffene heimische Gewerbe gezwungen, die Ersatzbeschaffungen ab 1. 7. 1951 dem Betriebsertrag hinzuzusetzen. Dadurch ergibt sich aber auch zwangsläufig eine Erhöhung der Gewerbesteuererträge. Damit entfällt aber die praktische Notwendigkeit, die vorgenommene Erhöhung der Hebesätze beizubehalten.

7. Die besondere wirtschaftliche Situation der Stadt Westerland erfordert besondere Rücksichten und Maßnahmen, die auch von der Landesregierung anerkannt werden müssen. Eine Erfüllungspolitik auf dem Gebiet der 5tädtischen Haushaltsführung steht mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten unseres Ortes im Widerspruch, da sie den Wiederaufbau unserer heimischen Fremdenverkehrswirtschaft schwächt.

8.
Nach den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes sind die Gemeindelasten auf alle Gemeindemitglieder gleichmäßig zu verteilen. Einer solchen gleichmäßigen Besteuerung aller Gemeindemitglieder, die wirtschaftlichen Nutzen aus ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinde ziehen, entspricht die gegenwärtige Steuerpolitik nicht.

9. Es darf nicht übersehen werden, daß die Getränkesteuer, die Sondersteuer des Schankgewerbes, für die betroffenen Betriebe in einem saisonabhängigen Kurort wie Westerland eine sehr viel stärkere Belastung bedeutet, als diese Steuer gleicher Höhe in Orten besserer Wirtschaftsgrundlage. Es ist nicht einzusehen, daß auch die hiesige Wirtschaft bezüglich dieser Steuer härter belastet werden so11 als wirtschaftlich günstigere Betriebe der Festlandgemeinden.

10. Die Stadtverwaltung hat erklärt, die Einführung der Getränkesteuer und die Erhöhung der Hebesätze seien Voraussetzung für die Erlangung von Landeszuschüssen. Die Praxis hat erwiesen, da8 diese Zuschüsse in ihrer Höhe in keinem Verhältnis zu den dem Gewerbe unserer Stadt aufgebürdeten zusätzlichen steuerlichen Belastungen stehen. Damit entfällt aber Sinn und Zweck dieser Steuerbelastungen zusätzlicher Art.

11.
Der Wiederaufbau unserer örtlichen Wirtschaft hängt unmittelbar davon ab, ob und wie es den Fremdenverkehrsbetrieben gelingt, Kriegs- und Nachkriegsschäden, von denen sie besonders hart betroffen worden sind, zu überwinden. Jede Mark, die der Fremdenverkehrswirtschaft bzw. der hiesigen Wirtschaft überhaupt verbleibt, dient dem werteschaffenden Aufbau. Jede Mark aber, die ihr entzogen wird, 1ähmt und verzögert diesen Aufbau.